20160414: VW Tiguan Der könnte auch ganz anders

  • Breiter, länger, geräumiger und wuchtiger:
    Der neue Tiguan protzt mit Geländegängigkeit, für die meisten Käufer aber entscheiden andere Qualitäten.



    Himmel, nichts als blauer Himmel vor der Frontscheibe, so steil geht es hinauf. Schotterpiste mit vierzigprozentiger Steigung. Bloß nicht stehen bleiben, weil sich sonst die Räder in den Untergrund fressen, hatte es vor der Fahrt warnend geheißen. Volkswagen kennt sich derzeit ja aus mit schwerem Gelände, wenn auch juristischer Natur. Doch während der Fahrer schwitzende Hände hat, jagen die Mitglieder der BMX-Jugendnationalmannschaft im Mellowpark, diesem Street-Art- und Halfpipe-Paradies in Berlin-Köpenick, mit halsbrecherischem Tempo und Kurvenlage vorbei. Der biedere Autofahrer ahnt da noch nicht einmal, dass ihm noch einige Herzklopfen-fördernde Steilkurven mit starker Schräglage bevorstehen. Dies mulmige Gefühl müssen Rennfahrer früher wohl auf der legendären AvusNordkurve gehabt haben. Auch die Diagonalwellen, die nacheinander erst den Fahrer etwas anlupfen und dann das rechte Hinterrad frei schweben lassen, meistert der Tiguan perfekt. Gut auch, dass mithilfe der vier Kameras des Area-View-System die Kanten der furchterregend schmalen Plankenbrücke voll im Blick bleiben.


    Okay, okay. Es reicht. Schließlich sind wir nicht im Dschungel, sondern in einer biederen Familienkiste. Die Tour durchs wilde Abenteuerland mit den beiden Kids auf der Rückbank? Können Sie vergessen, da gibt es garantiert Einspruch von der anderen Erziehungsberechtigten. Aber daran zu denken, was der neue Tiguan kann, wenn man ihn mal richtig durchs Gelände bolzen möchte, ist ja auch nicht schlecht. Doch die wenigsten Käufer sind eben Förster, die sich durch den tiefen Wald quälen, oder Einödbauern, die zu den Ziegen hochmüssen. Der Tiguan, seit Markteinführung 2007 der meistverkaufte SUV in Deutschland, wird ja auch nicht deswegen gekauft, sondern weil er ein grundsolider Familienwagen ist: kompakt, mit erhöhter Sitzposition und guter Rundumsicht, der sich gut im Stadtverkehr bewegen lässt. So richtig praktisch also für das normale Leben zwischen Supermarkt und Kindergeburtstag. Fast jeder zweite Käufer in Deutschland verzichtet sogar auf Allrad-Antrieb. Aber es geht eben nichts über das Ich-könnte-auch-anders-Gefühl.